Südafrika: Gang-Mitglieder sollen Nick Frischke getötet haben - WELT (2024)

Seit Anfang 2023 wird der Deutsche Nick Frischke in Kapstadt vermisst. Vieles spricht dafür, dass der junge Tourist Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Doch der Prozessauftakt gegen die vier Angeklagten gestaltet sich als turbulent. Wohl auch, weil sie Mitglied einer berüchtigten Gang sind.

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Fast auf den Tag genau 18 Monate ist es her, dass der 22 Jahre alte Brandenburger Tourist Nick Frischke von seinem Airbnb aus ein Uber-Taxi bestellte, sich zum Kapstädter Armenviertel Hangberg fahren ließ und dort zu einer Wanderung in angrenzende Berge aufbrach. Er wählte eine landschaftlich wunderschöne, aber auch gefährliche Route. Es war der 15. Februar 2023. Seitdem fehlt von ihm jede Spur.

Hangberg wird in Reiseführern oft schlicht als Fischerdorf beschrieben. Doch Jobs gibt es dort kaum noch, eine Fischfabrik schloss vor Jahren – der Ort wird zunehmend von Drogenmissbrauch und Verbrechen destabilisiert. Direkt zu Beginn des Wanderweges steht ein Schild, das vor Kriminalität warnt. Frischke, so zeigten damals Bilder einer Überwachungskamera, ging dennoch los. Und begegnete Verbrechern.

Verdächtige gerieten zufällig ins Visier

Am Dienstag stiegen vier junge Männer die 16 Treppenstufen von einer Wartezelle in Saal B des Wynberg-Regionalgerichts in Kapstadt hinauf. Dort begann in dieser Woche ein Prozess, von dem sich die Angehörigen neue Erkenntnisse zum Verschwinden von Frischke erhoffen. Gerechtigkeit. Und Gewissheit.

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass sie den Angeklagten den Tatbestand „Raub mit erschwerenden Umständen“ nachweisen kann. Die Männer gerieten eher zufällig ins Visier der Ermittler, bei einer Hausdurchsuchung wegen eines anderen Verbrechens waren persönliche Gegenstände von Frischke bei ihnen gefunden worden. Darunter ein Handy, ein Rucksack und eine Kreditkarte.

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Auf eine Anklage wegen Mordes verzichtete die Staatsanwältin nach langem Zögern, „vorerst“, wie es hieß. Man spekuliert offenbar auf weitere Beweise. Denn nach südafrikanischem Recht kann der Strafbestand des Mordes nicht neu verhandelt werden, wenn es aus Mangel an Beweisen einen Freispruch gibt. Deshalb konzentriert sich die Anklage zunächst auf Raub, für den bis zu 15 Jahre Haft verhängt werden können.

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Den Männern die Verantwortung für das spurlose Verschwinden des Deutschen nachzuweisen, dürfte ein zähes und langwieriges Unterfangen werden. Falls es überhaupt möglich ist. Einer der Angeklagten hatte Medienberichten zufolge im vergangenen Jahr ausgesagt, sein Komplize habe mit einem Messer auf Frischke eingestochen. Die Frage ist, ob diese Aussage, wenn sie denn tatsächlich so gefallen ist, vor Gericht wiederholt oder Bestand haben wird. Dem Vernehmen nach, gab es dazu unter den Angeklagten auch Streit, was in diesen Zirkeln tödlich enden kann.

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Laut Dokumenten der Staatsanwaltschaft, aus denen die Nachrichtenseite „Timeslive“ zitierte, gehören die Angeklagten zumindest teilweise den „28“ an, einer der berüchtigtsten Gefängnisgangs Südafrikas. Darauf weisen auch frische Tattoos der Verdächtigen hin, die als Erkennungszeichen der Gang gelten. Für den Prozess wurden am Dienstag zusätzliche Sicherheitskräfte angefordert. Vor und im Saal wurden insgesamt sechs Polizisten platziert, zwei davon mit Maschinenpistolen.

Am Dienstag gab der Anwalt der Angeklagten dann plötzlich bekannt, sein Mandat nach zehn Monaten abzugeben. Es gebe einen „Interessenkonflikt“, teilte er dem sichtlich verärgerten Richter mit, eine Situation, von der er „erst kürzlich Kenntnis“ erhalten habe. Inwiefern bei seiner Entscheidung persönliche Sicherheitsbedenken eine Rolle spielten, blieb offen. Die angesetzten Zeugenvernehmungen wurden auf Donnerstag verschoben, um dem neuen Strafverteidiger Zeit zur Einarbeitung zu geben.

Schlechte Sicherheitslage schadet dem Tourismus

In Südafrika zählt der Tourismus zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen, besonders am Westkap. Gerade erst haben die Besucherzahlen wieder Vorpandemie-Niveau erreicht. Fälle wie der Tod von Frischke schaden der Branche, weil sie ein Schlaglicht auf die schlechte Sicherheitslage in dem Land werfen. Südafrika hat eine der weltweit höchsten Mordraten, jeden Tag kommen 75 Menschen durch Mord oder Totschlag ums Leben – die meisten davon in ärmeren Gegenden, in denen sich Touristen eher selten aufhalten. In Deutschland, das 20 Millionen Einwohner mehr als Südafrika hat, sind es rund sechs Morde und Totschläge täglich.

Entscheidungsträger wie Jean-Pierre Smith, der für Sicherheit zuständige Stadtrat von Kapstadt, müssen abwägen, ob sie die Sicherheit von Besuchern priorisieren. „Wir unternehmen enorme Anstrengungen, damit Touristen in unserer Stadt sicher sind“, sagt Smith. Die Stadt habe auch unverzüglich reagiert, als Frischke vermisst gemeldet wurde, bei der Suche nach dem Vermissten seien wochenlang Drohnen eingesetzt worden.

„Ich war selbst mehrfach mit der Familie in Kontakt, ich habe die Suchkommandos immer wieder angetrieben, wir haben keinen Quadratmeter außer Acht gelassen“, sagt Smith. Es ist ihm anzumerken, wie nah ihm das Schicksal von Frischke geht. Und das der Verwandten, die keine Gewissheit haben. Aber Smith weiß auch, dass es nach hochkarätigen Kriminalfällen regelmäßig zahlreiche Stornierungen von Touristen gibt.

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Polizeiarbeit ist in Südafrika vorwiegend eine Angelegenheit der nationalen Regierung, die bis zur Bildung einer Koalitionsregierung in diesem Mai über Jahrzehnte allein vom „African National Congress“ (ANC) gestellt wurde. Die Partei sparte lange auffällig mit Mitteln für die Westkap-Provinz, die vergleichsweise erfolgreich von der „Democratic Alliance“ (DA) regiert wird. Auf jeden Kriminalbeamten kommen im Schnitt 200 bis 300 Ermittlungsakten, pro 600 Einwohner in Kapstadt gibt es gerade einmal einen Polizisten, die international empfohlene Ratio sieht dreimal so viele Beamte vor.

Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten investiert die Provinz im großen Stil mit eigenen Mitteln in Sicherheit. Als es Mitte des vergangenen Jahres verstärkt Überfälle auf Wanderwegen des Tafelberges gab, verstärkte sie dort massiv die Sicherheitskräfte. Ab Dezember habe es deshalb kaum noch Vorfälle gegeben, betont Smith. Aber bei Maßnahmen gegen Kriminalität handele es sich um ein ganzheitliches Konzept. „Es wäre unethisch, die Sicherheit von Besuchern über die der Bürger zu stellen.“

Gewaltverbrechen in Kapstadt seien hochgradig „lokalisiert“, sagt Smith und meint, dass sie außerhalb der üblichen Touristengegenden begangen werden. So seien allein 40 Prozent aller Morde auf Kämpfe zwischen rivalisierenden Gangs zurückzuführen, bei denen „Gang-Mitglieder andere Gang-Mitglieder töten“.

Oft gebe es aber derart schwere Verbrechen an ausländischen Touristen nicht, sagt Smith. In den vergangenen drei Jahren habe es neben Frischke zwei weitere Fälle gegeben. Einmal sei ein britischer Tourist in einen gewalttätigen Streik der informellen Bus-Industrie geraten und erschossen worden. Dann habe ein GPS-System einen Amerikaner von der Autobahn in einen Township umgeleitet, wo er einen Raub angeschossen überlebte.

Mordrate auf Niveau der 1990er-Jahre

In den ersten zwanzig Jahren nach Einführung der Demokratie sei die Mordrate um über 50 Prozent gesunken, sagt Lizette Lancaster von der renommierten Denkfabrik „Institute for Security Studies“ (ISS), seitdem sei man aber wieder fast auf das Niveau der frühen Neunzigerjahre abgerutscht. „Zu den Gründen gehören ein hohes Maß an Ungleichheit und anhaltende strukturelle Gewalt“, sagt die Analystin. „Die Situation wird durch die zunehmende Zahl von gestohlenen Schusswaffen und die steigende Zahl organisierter krimineller Gruppen erschwert.“ Gleichzeitig habe die Effektivität der von Korruption und Missmanagement geschwächten Polizei abgenommen.

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Zeitgleich zum Prozess in Kapstadt findet 1500 Kilometer nordöstlich in Mbombela der Prozess gegen drei Männer statt, die vor knapp zwei Jahren den 67-jährigen deutschen Touristen Jörg Schnarr bei einem Raubüberfall in der Nähe des berühmten Krüger-Nationalparks erschossen haben sollen.

Nach dem Mord an Schnarr reisten die Tourismusministerin und der Polizeiminister an, versprachen lokalen Wirtschaftsvertretern Präventionsmaßnahmen. Die Mauer, in die der von Kugeln getroffene Deutsche mit seinem Mietwagen krachte, ist längst ausgebessert, einige Meter weiter ist eine von zahlreichen Überwachungskameras montiert. Sie flankieren nun die Straße zum Numbi-Tor, einem Zugang zum Krüger-Nationalpark, in dessen Nähe es schon vor dem Mord mehrere Überfälle gegeben hatte.

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